mein jahr in der stadthalle hagen xix
- sven söhnchen

- vor 6 Tagen
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Aktualisiert: vor 5 Tagen

mein jahr in der stadthalle hagen xix
28. november 2025, 19:30 h
29. irish christmas / 3. irische weihnacht
gegen 17:00 uhr nähere ich mich der stadthalle mit dem öffentlichen personennahverkehr. meine wohnung hatte ich bereits anderthalb stunden vorher verlassen, um beim innerstädtischen kreditinstitut meines vertrauens wechselgeld für die abendkasse einzutauschen - und eine kulinarische vorsorge für die dritte auflage der ‚irischen weihnacht‘ zu schaffen. um dem abendlichen whiskey und dem guinness eine würdige grundlage zu geben, entscheide ich mich auf dem hagener weihnachtsmarkt für einen fettigen backfisch und einem (naja... zwei) glühbier an ackermanns icebar.
hatte im vorfeld bei blumen mankopf einen strauss bestellt, den ich noch abhole, bevor ich die halle betrete. diese liegt um diese uhrzeit bereits in der herbstlichen dunkelheit - beim blick auf den restaurantbereich vernehme ich bereits das grün-orangene farbenspiel, welches auf die kommenden stunden einlädt. im haus herrscht die entspannte stimmung, die ich an in den gewerken der stadthalle so mag. im grossen saal ist das setup-team dabei, die bestuhlung für den morgigen abend vorzunehmen und im restaurant spielen drei servicekräfte, in ihrer pause zwischen zwei veranstaltungen, karten.
gemeinsam mit dem komplizen hiermer bin ich heute weniger der stadthallenschreiber, sondern vielmehr der vorleser.
vor drei jahren hatte ich robin hiermer vorgeschlagen, aus der umfangreichen sammlung irischer weihnachtsgeschichten und dem noch umfangreicheren irischen liedgut eine musikalische lesung zu machen. der auftakt 2023 konnte als gelungen bezeichnet werden, sodass wir im vorjahr einen zweiten und heuer die dritte ‚irische weihnacht‘ im stimmungsvollen ambiente der stadthalle feiern können - zum beginn der adventszeit.
unser konzept ist die dreifaltigkeit der irischen seele und prinzipiell eines guten kulturabends: einige vorgelesene texte, etwas irische musik und viel guinness, kilkenny und whiskey.
in den beiden vorjahren hatten wir an unserer seite den hagener whiskeyhändler can gör, der mit einer auswahl entsprechender irischer whiskey das kulturprogramm flüssig begleitet hatte. can war leider in diesem jahr nicht an unserer seite - sein unternehmerisches risiko, in hagen ein fachgeschäft für das lebenswasser zu etablieren, ist leider nicht belohnt worden. vor seinem mut und der leidenschaft ziehe ich aber weiterhin den hut. dankenswerterweise hat das team der stadthalle einen zusätzlichen getränkestand für die traditionelle whiskeyversorgung eingerichtet. unsere gäste (und auch wir) müssen also nicht auf die flüssige kulturunterstützung verzichten.
ein grosser technischer aufbau ist nicht notwendig: es stehen zwei stehtische bereit, inklusive der entsprechenden barhocker, eine leselampe, die einer modischen flutlichtanlage im fussballstadion ähnelt. links und rechts der stehtische stehen boxen, die von einem kleinen mischpult für unsere zwei mikrofone und die gitarre bespielt werden. mein arbeitsmaterial sind die texte mit den kurzgeschichten und robin hat selbstverständlich seinen gefüllten gitarrenkoffer dabei. wenig aufwand und doch ein faszinierendes ambiente - auch innen wirkt die beleuchtung in den irischen nationalfarben stimmungsvoll, würdig und einladend.
45 minuten vor dem einlass stehen bereits die ersten gäste vor der tür. wir müssen sie leider vertrösten, da es für das bühnenpersonal noch kleine vorbereitungen gibt - beispielsweise der genuss von einem ersten gemeinsamen guinness. in kleiner runde stossen wir auf einen erfolgreichen abend an.
pünktlich ab 18:30 uhr stehen die „künstler“ gemeinsam am einlass und begrüssen die gäste. wir erfahren, dass vor der halle jemand tickets verkaufen möchte - unter dem einkaufspreis. wir sind kurzzeitig pikiert. immerhin richtet sich der wert von kulturschaffenden auch an den überteuerten schwarzmarktpreisen...
ungefähr die hälfte der zuschauerinnen im stadthallenrestaurant müssen stehplätze einnehmen. so war unser gemeinsames konzept bereits in den beiden vorjahren und ist es auch heuer: wir verwandeln die location in einen irischen pub. dazu gehören auch jede menge stehplätze. immerhin hat man dort den spontaneren zugang zum versorgungstresen, wo es ausreichend guinness, kilkenny und andere getränke gibt.
wie in den jahren zuvor, nehmen wir uns einen whiskey und ein pint guinness mit auf die bühne - also jeweils jeder einen whiskey und ein guinness.
der komplize hiermer startet den vorweihnachtlichen abend würdig: gleich die ersten töne gehören den musikalischen helden des abends. er spielt den ‚turkish song of the damned‘ von the pogues.
wir wechseln uns ab: ein lied, ein text, ein guinness, ein lied, ein text,...
von mir gibt es zum auftakt noch zwei geschichten aus den büchern, die uns auch in den vorjahren den literarischen kompass gaben. es geht um porterschätze im torf und die vergabe von arbeitsplätzen im irischen postsystem - nicht nur zu weihnachten. anschliessend ändern wir, im dritten jahr, unser programm und lesen selbstgeschriebenes.
weihnachtliche liebesgeschichten von sean & eileen und sioda & paul rahmen die eher melancholischen texte ein: die liebe von einem selbstmörder in die gegend von connemara und die hoffnung auf einen frieden in belfast sind harte kost - und passen doch hervorragend in das konzept der ‚irischen weihnacht‘.
die musikauswahl des komplizen sorgte für die hoffnungsvollen, lebensfrohen momente. es ist ein abend, der sein versprechen hält: zwischenhimmelhochjauzendundzutodebetrübt.
nebenbei präsentiert robin hiermer noch eine weltpremiere: erstmals spielt er sein neues lied ‚the image of a rockstar‘ live vor publikum. es ist seine ganz persönliche hommage an shane macgowan. im ersten jahr der ‚irischen weihnacht‘ lebte der pogues-sänger macgowan noch, wenige tage später war er verstorben. 120 gäste gedenken, würdevoll, der zahnlosen, irischen legende.
nach 75 minuten machen wir eine pause. das bühnenpersonal benötigt frische getränke und die gastronomieeinheiten sollen auch ihren umsatz machen. mich erfreut im irischen pub, neben dem pausen-guinness, vor allem die heimische currywurst - zumindest das orangene currypulver sorgt für die verbindung zwischen irland und dem heimischen ruhrgebiet.
auch vor der zweiten runde genehmige ich mir einen whiskey aus dem stadthallen-repertoire. robin und ich musizieren und lesen weiter im wechsel. wir sind dankbar für das aufmerksame publikum und die kaffeemaschinenerprobte pub-liveatmosphäre.
das alles endet in dem lied, welches für uns wahrscheinlich am schönsten zur weihnachtszeit klingt. in unserer bühnenaufzeichnung steht fony! wir singen... und träumen... und weinen... und stimmen uns weihnachtlich ein - mit den ‚fairytales of new york‘!
vor dem ende haben wir noch eine kleinigkeit zu erledigen: im publikum sitzt ein junggebliebenes geburtstagskind - mit ihrem gatten, der tochter, dem schwiegersohn und den beiden enkelsöhnen. wir gehen dennoch bei unserem happy-birthday-ständchen mit blumengruss davon aus, dass die dame allerhöchstens ihren 39. geburtstag feiert. slainte.
echt? eine zugabe? na gut - wir tun gar nicht erst so, als wenn wir nicht damit gerechnet hätten. von meiner seite gibt es noch einmal eine kurzgeschichte von dem irischen postboten, der eine sehnsuchtsvolle seniorin glücklich stimmt und zum abschluss spielt der komplize ‚danny boy‘ - jenem klassiker, der bereits von elvis presley, johnny cash, mario lanza und the pogues gespielt wurde. ein würdiger abschluss eines stimmungsvollen vorweihnachtabends.
im vorjahr kam meine lebensgefährtin direkt am ende der veranstaltung auf mich zu und fragte, wann wir endlich auf die grüne insel reisen. spätestens 2027. vorher gibt es aber höchstwahrscheinlich noch die „4. irische weihnacht“ im heimelig-irischen ambiente-pub der stadthalle hagen.
